
Zoom & Co. demaskieren
Eine junge Frau, gut ausgebildet, sehr selbstsicher, sitzt zu Hause vor der Kamera. Sie ist eine von 6 Teilnehmerinnen und Teilnehmern einer Zoom-Paneldiskussion.
Die Diskussion entwickelt sich, nach anfänglichem, dem ungewohnten virtuellen Raum bedingten Zögern, immer engagierter. Das Bild der jungen Frau ist, neben den Porträts der anderen auf meinem Bildschirm oben rechts eingeblendet. Die Antworten auf meine Fragen, die ich ihr als Moderatorin stelle, sind ausschweifend. Sie wirkt, im Vergleich zu den anderen, unsympathisch.
Weshalb dieser Eindruck? Es sind nicht die Worte, es ist nicht der Inhalt. Es ist Ihre Mimik. Sie strahlt, während sie den Voten der anderen zuhört, Abschätzigkeit und Langeweile aus. Ihre Botschaft ist klar: „Ich weiss doch schon alles, Zeitverschwendung diese Diskussion, Ihr könnt mir nicht das Wasser reichen.“ Einige der Teilnehmenden schütteln die Köpfe. Einer fragt sie, weshalb sie denn so negativ eingestellt sei. Keine Antwort.
Gutes potenziert sich in virtuellen Meetings, Schlechtes auch
Bei virtuellen Meetings sticht die schlechte Laune eines Teilnehmers sofort ins Auge. Früher, in der realen Welt betrug die Distanz zwischen Diskussionsteilnehmenden und Publikum zehn, zwanzig Meter.
Manche Teilnehmer an Zoom-Konferenzen sind nur „halbe Teilnehmer“. Sie loggen sich zwar ein, zeigen sich jedoch nur mit ihrem Namen und nicht mit ihrem Gesicht. Fürchten sich diese Leute, ihr „wahres Gesicht“ zu zeigen?
Klare Regeln für virtuelle Meetings
An der Art und Weise, wie in einem Unternehmen Sitzungen abgehalten werden, zeigt sich die Kultur eines Unternehmens, einer Führung. Deshalb müssen auch für virtuelle Meetings klare Regeln eingeführt werden: wer sich einwählt, zeigt sich im Bild, ist konzentriert, denkt mit und hält sich in seinen Wortmeldungen kurz.
Locker vom Hocker
Virtuelle Sitzungen bieten viele Vorteile
Doch virtuelle Meetings brauchen mehr Vorbereitung. Man kann nicht einfach drauflos schwatzen. Die Wortmeldungen müssen kurz und strukturiert sein. Man muss schnell auf die Argumente der anderen reagieren können.
Das beginnt bei den Bewerbungsgesprächen. Die Kandidaten erscheinen nun auf dem Bildschirm und werden so befragt. Ein HR-Chef eines schweizerischen Unternehmens sagte mir: „Ich stelle Leute an, ohne sie real zu sehen. Anhand ihres virtuellen Auftritts sollen wir entscheiden, ob sie zu uns passen. Das ist ganz neu. Ich bin mir nicht sicher, ob wir auf diese Weise wirklich die Richtigen finden.“
Die virtuelle Evaluation verlangt viel Fingerspitzengefühl und vor allem: Sie verlangt die Fähigkeit, Gesichter und Mimik lesen zu können. Die HR-Leute waren schon immer auch eine Art Psycho-Analytiker. Jetzt sind sie es noch mehr.
Doch nicht nur bei Vorstellungsgesprächen sind die HR-Leute vermehrt gefordert. In fast allen Betrieben müssen heute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nun auch virtuell auftreten können. Man arbeitet in Teams, schaltet sich virtuell zusammen. In Zeiten von Home-Office muss man virtuell überzeugen können. Aufgabe der HR-Leute ist es nun, ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auch in der virtuellen Auftrittskompetenz zu schulen, zu fördern und sie in die neue digitale Welt einzuführen.
Es herrscht noch viel Unsicherheit
Erstaunlich ist oft, wie unvorbereitet Mitarbeitende aber auch Führungspersonen in solche Meetings gehen. Fast immer beginnt eine Zoom-Konferenz nicht zur Zeit, fast immer gibt es Leute, die nicht wissen, wie man sich einloggt, welche Tasten man drücken muss, wie man sich bemerkbar macht, wie man den Ton regelt. Das ist ärgerlich, denn jene, die es können, müssen dann warten, bis es auch der letzte kapiert hat. So beginnen virtuelle Meetings oft schon unter einem schlechten Stern.
Zur Weiterbildung sollte heute auch die Schulung im Umgang mit dem virtuellen Raum gehören. Aufgabe der Ausbildung muss es künftig sein, die Leute mit Zoom, Teams, etc. vertraut zu machen. Doch die Handhabung der Technik alleine genügt bei weitem nicht. Es geht darum, zu vermitteln, wie man sich im virtuellen Raum bewegt, welche Gefahren darin lauern und wo die Fallen sind.
Übrigens: Ich schickte der anfangs erwähnten jungen Frau eine Aufzeichnung ihres schnöden Auftritts. Ich fragte sie, wie sie ihren Auftritt beurteile. Ich kriegte keine Antwort.