Anfang

Wer anfängt, sollte ans Aufhören denken

Kommunikationsfähigkeit gehört heute zu einer der wichtigsten Voraussetzungen für erfolgreiches Führen.  Führungskräfte sollten wissen, wie sie Botschaften formulieren, damit sie bei den Adressaten ankommen. Doch gerade wenn es um die Kunst des Präsentierens geht, tun sich viele noch immer schwer. Festgefahrene Strukturen im Unternehmen und mangelnde Präsentation-Kenntnisse führen dazu, dass ein Auftritt bisweilen zum eigentlichen Desaster werden kann. Dies muss nicht sein.  

«Ähm, (räusper), schön sind Sie da, ähm, ich freue mich, dass Sie so zahlreich erschienen sind, ähm, (räusper), ähm, ich möchte Ihnen hier meine Präsentation zeigen, ähm...»

So startet ein Webinar. Der Redner, ein versierter Rechts-Experte einer Bundesstelle, fühlt sich sichtlich unwohl in seiner Haut. Die Kamera verwirrt ihn offenbar derart, dass bereits der Anfang der Präsentation für ihn zu einer schier unüberwindbaren Hürde wird. Schnell schaltet er seine Slides auf den Bildschirm: eine mit Text dicht beschriebene Seite. Der Referent hat sich mittlerweile etwas gefasst und redet in ganzen Sätzen. Er beginnt mit dem Inhaltverzeichnis. Dann liest er, Satz für Satz, den auf seinen Slides geschriebenen Text vor.

Das Wichtigste: der Anfang ...

«Es war ein strahlender, kalter Tag im April und die Uhren schlugen Dreizehn.» George Orwell: 1984.

Wer kennt sie nicht, die berühmten ersten Sätze von Romanen. Es gibt mittlerweile ganze Sammlungen von meisterhaften Anfängen der Weltliteratur.

Was in Romanen seit langem erkannt wurde, sucht man bei Präsentationen oft vergebens: ein überzeugender, kreativer Anfang, der beim Publikum Interesse für den Inhalt weckt.

Im Alltag tun wir uns oft schwer mit Anfängen. «Schreib den ersten Satz so, daß der Leser unbedingt auch den zweiten lesen will.», bemerkte schon William Faulkner. Ob bei virtuellen Präsentationen oder live auf der Bühne – am Anfang entscheidet sich oft schon, ob ein Redner oder eine Rednerin mit der Präsentation Erfolg haben wird oder nicht.   

Der Gründer und frühere Herausgeber des „Spiegel“, Rudolf Augstein, sagte einmal provokativ: Der erste Satz macht 40 Prozent eines Artikels aus; der letzte Satz weitere 40 Prozent. Für den eigentlichen Artikel bleiben 20 Prozent.

So überzeichnet das sein mag: Der Anfang entscheidet, ob man weiter zuhört oder nicht. – ...und der Schluss

«So, jetzt kommen wir zu der Zusammenfassung. Lassen Sie mich nochmals durch das Inhaltsverzeichnis gehen und schauen, ob wir alle Punkte brücksichtigt haben.» So endet das Webinar. Sollten zum Schluss noch Interessierte am Bildschirm sein, haben sie es lange ausgehalten.

Der Schluss, der letzte Eindruck, das letzte Bild – die Präsentation sollt mit einem fulminanten Finale enden. Am Ende steigt die Aufnahmefähigkeit wieder. Das Publikum hört wieder zu – diese Chance darf man sich nicht entgehen lassen. Hier müssen die Hauptbotschaften nochmals platziert werden. Die Die Zuhörenden müssen nach Hause gehen und die Keymessage der ganzen Präsentation wiederholen können. Und dies am besten in einem einzigen Satz.

Eine erfolgreiche Präsentation lebt von einer lebendigen Dramaturgie

Präsentieren heisst nichts anderes als: führen, leiten, lenken. Mit dem Ziel, wenige aber klare Botschaften zu seinem Publikum zu bringen. Wer bereits beim Beginn seiner Rede das Ende im Blick hat, kann sein Publikum führen. Wie um alles in der Welt soll das Publikum verstehen, was der Redner sagt, wenn dieser selbst nie definiert hat, was er sagen will?

Wer souverän präsentiert, sollte eine Art «Reiseleitung» bei seiner Präsentation übernehmen. Dies bedeutet, die Zuhörenden Schritt für Schritt von einem Ort zum nächsten zu führen. Ihnen Sicherheit und Vertrauen geben. Konkret heisst dies: Zwischendurch auf den Anfang der Reise zurückblicken, die einzelnen Stationen zusammenfassen und dem Publikum immer wieder das Ziel der Reise in Aussicht stellen.

Voraussetzung dafür ist eine dramaturgisch richtig gestaltete Präsentation. Dramaturgie hat die Aufgabe, eine Geschichte auf die bestmögliche Weise zu unterstützen. Mit Hilfe von dramaturgischen Elementen wird eine Präsentation besser verständlich, einem logischen Erzähl-Verlauf kann das Publikum besser folgen. Ein roter Faden hilft, das Gehörte aufzunehmen, einzuordnen, und letztlich zu verstehen.

Drei, zwei, eins – wir sind online

Gleissendes Licht, das rote Kameralämpchen leuchtet. Der Hybrid-Event beginnt. Im Studio stehen zwei Experten an je einem Referententisch. Eine virtuelle Informations-Veranstaltung einer Versicherung. Der Experte begrüsst das Publikum. Die Kamera zoomt nah auf sein Gesicht. Er spricht, doch seine Worte wirken seltsam leer. Als läse er irgendwo einen Text ab. Er redet zum Publikum, doch die Sätze sind unnatürlich. Er benutzt viele Substantive, Gerundien, es sind lange Sätze. Er redet, doch man merkt, dass er selbst in diesem Moment wohl kaum genau weiss, was er erzählt. Er wird zu einer Art «mechanischer Redemaschine». Er liest ab, anstatt mit seinem Publikum zu sprechen.

Wie kommt es?

Viele Unternehmen haben inzwischen entdeckt, dass sie sich den Zugang zu ihrer Kundschaft via virtueller Events verschaffen können. Doch die Protagonisten, die in diesem Set auftreten, sind zwar ausgewiesene Experten auf ihrem Gebiet. Sie haben jedoch nicht gelernt, was es heisst, in einem Studio, vor laufenden Kameras zu präsentieren.

Damit solche neuen Kanäle dem Unternehmen auch wirklich das bringen, was sie sich erhoffen, muss das Personal entsprechend geschult werden. Bei virtuellen Auftritten ist es umso wichtiger, dass man sich klar ausdrücken kann. Dass man seine Gedanken klar und prägnant teilt. Wer kompliziert redet, um intelligenter wirken zu wollen, verfehlt sein Publikum. Kommunizieren sie klar und direkt. Erst dann

Geschriebene Sprache ist nicht gesprochene Sprache

Wer meint, präsentieren bedeutet einfach einen geschriebenen Text runterzuleiern, täuscht sich. Sei es vor der Kamera oder auf einer Bühne: Wer ein Publikum vor sich hat, sollte dieses direkt ansprechen, in den Dialog treten mit seinem Gegenüber. Die Präsentation muss der Hörfähigkeit des Publikums angepasst werden. Die gesprochene Sprache besteht aus kurzen, prägnanten Sätzen, ohne Futur, ohne Komma, dass-Sätze. Benutzen Sie die Sprache des Alltags bei Ihrer Präsentation. Dann werden Ihre Anliegen und Gedanken verstanden.

Vom Schein und Sein

Die Unternehmen haben erkannt, wie wichtig es heute ist, auf der ganzen Kommunikations-Klaviatur zu spielen. Live-Veranstaltungen sind das eine, aber auch auf der optischen Seite versuchen immer mehr Unternehmen einen professionellen Eindruck zu hinterlassen. So lassen sie sich auch die Gestaltung ihrer Websites inzwischen einiges kosten.

Doch wenn es darum geht, dass Mitarbeitende bei ihren Präsentationen mit den visuellen Vorgaben arbeiten, werden sie oft allein gelassen.

Bei uns macht man das so

Die beste Design-Idee verpufft ohne Kenntnis des Präsentations-Handwerks. Präsentieren - dies bedeutet für viele eine grosse Herausforderung. Und ist oft mit enormem Stress verbunden. Oft bringt ein Jobwechsel oder ein Aufstieg in eine höhere Stufe mit sich, dass man sich plötzlich vor einem Publikum exponieren muss. So orientiert man sich oft an dem, was man von anderen gesehen hat.

«Bei uns macht man das so...». Wie oft höre ich diesen Satz in meinen Trainings. Ungeübte versuchen sich als Erstes im Imitieren. Doch dies ist ein schlechter Weg. Eine gute Präsentation lebt von der Persönlichkeit des Präsentierenden. Das Handwerk des Präsentierens sollte individuell mit viel Sorgfalt und wenn möglich in Begleitung von Profis erlernt werden. So sollten Präsentations-Skills heute in Unternehmen bewusst geschult und gefördert werden. Denn oft entstehen mit guten Präsentationen Projekte. 

Die gute Botschaft: präsentieren kann man lernen

Autofahren kann man lernen, schwimmen kann man lernen, eine Fremdsprache kann man lernen- weshalb sollte man nicht lernen, überzeugend vor Publikum zu stehen und eine schwungvolle, attraktive und inspirierende Präsentation zu halten?

«Es gibt eben Menschen, die von Natur aus charismatisch sind», wird mir oft entgegnet. «Ich gehöre nicht zu diesen extrovertierten Menschen, ich bewege mich lieber im Hintergrund».

Ja, dies mag sein. Nicht alle brauchen das Rampenlicht. Doch die Mär vom geborenen Redner dient auch oft als Ausrede. Wer sich exponiert, wer auf der Bühne steht, wird sichtbar- und damit auch angreifbar. Indem man vor allen anderen redet, riskiert man vielleicht da und dort auch ein paar Kratzer.

Doch beim Präsentieren ist es wie es wie mit dem Autofahren- nach ein paar Fahrstunden sitzt man schon viel entspannter am Steuerrad.

Schon Kurt Tucholsky wusste, wie man erfolgreiche Präsentationen hält:

Kurt Tucholsky, Ratschläge für einen schlechten Redner

Fang nie mit dem Anfang an, sondern immer drei Meilen vor dem Anfang! Etwa so: 

"Meine Damen und meine Herren! Bevor ich zum Thema des heutigen Abends komme, lassen 

Sie mich Ihnen kurz ..." 

Hier hast du schon ziemlich alles, was einen schönen Anfang ausmacht: eine steife Anrede; der Anfang vor dem Anfang; die Ankündigung, dass und was du zu sprechen beabsichtigst, und das Wörtchen kurz. So gewinnst du im Nu die Herzen und Ohren der Zuhörer. Denn das hat der Zuhörer gern: dass er deine Rede wie ein schweres Schulpensum aufbekommt; dass du mit dem drohst, was du sagen wirst, sagst und schon gesagt hast. Immer schön umständlich. 

Sprich nicht frei – das macht einen so unruhigen Eindruck. Am besten ist es: du liest deine Rede ab. Das ist sicher, zuverlässig, auch freut es jedermann, wenn der lesende Redner nach jedem viertel Satz misstrauisch hochblickt, ob auch noch alle da sind. 

Wenn du gar nicht hören kannst, was man dir so freundlich rät, und du willst durchaus und durchum frei sprechen ... du Laie! Du lächerlicher Cicero! Nimm dir doch ein Beispiel an unsern professionellen Rednern, an den Reichstagsabgeordneten – hast du die schon mal frei sprechen 

hören? Die schreiben sich sicherlich zu Hause auf, wann sie "Hört! Hört" rufen ... ja, also wenn du denn frei sprechen musst: 

Sprich, wie du schreibst. Und ich weiss, wie du schreibst. 

Sprich mit langen, langen Sätzen – solchen, bei denen du, der du dich zu Hause, wo du ja die Ruhe, deren du so sehr benötigst, deiner Kinder ungeachtet, hast, vorbereitest, genau weisst, wie das Ende ist, die Nebensätze schön ineinander geschachtelt, so dass der Hörer, ungeduldig auf seinem Sitz hin und her träumend, sich in einem Kolleg wähnend, in dem er früher so gern geschlummert hat, auf das Ende solcher Periode wartet ... nun, ich habe dir eben ein Beispiel gegeben. So musst du sprechen ... 

Kümmere dich nicht darum, ob die Wellen, die von dir ins Publikum laufen, auch zurückkommen

– das sind Kinkerlitzchen. Sprich unbekümmert um die Wirkung, um die Leute, um die Luft im Saale; immer sprich, mein Guter. Gott wird es dir lohnen. 

Du musst alles in Nebensätze legen. Sag nie: "Die Steuern sind zu hoch." Das ist zu einfach. Sag:

"Ich möchte zu dem, was ich soeben gesagt habe, noch kurz bemerken, dass mir die Steuern bei weitem ..." So heisst das. 

Trink den Leuten ab und zu ein Glas Wasser vor – man sieht das gern. 

Wenn du einen Witz machst, lach vorher, damit man auch weiss, wo die Pointe ist.

Kurt Tucholsky, Sprache ist eine Waffe – Sprachglossen, Reinbek bei Hamburg (rororo) 1989, S. 134 ff (Original: 1930)